Im Sinne eines stärker dezentral orientierten Ansatzes zur Energieversorgung sind die Ziele der vorgesehenen Maßnahmen folgende:
1) Ausschöpfung des lokalen Potentials für Stromerzeugung durch Photovoltaik (PV) und Windenergie zur Abdeckung des jetzt noch aus fossilen Energiequellen gedeckten Anteils des Strombedarfs plus des Mehrbedarfs durch Sektorkopplung (E-Mobilität, Wärmepumpen, Wasserstoffherstellung),
2) zeitlicher Ausgleich zwischen Dargebot an Strom aus erneuerbarer Energie und Verbrauch vor Ort: Smart Grid, verteilte Speicherkapazität, lokale Anlagen für Power-to-Gas und Rückverstromung per Kraft-Wärme-Kopplung (KWK).
Dies bedeutet, dass von möglichst hoher lokaler Erzeugung ausgegangen wird, um den überregionalen Stromtransport und den damit verbundenen Netzausbau zu begrenzen. Das Umland (z.B. Landkreis) bietet dabei zusätzliche über den Eigenbedarf hinausgehende Kapazitäten, insbesondere in den Bereichen Windenergie und (Agro)photovoltaik. Dieses Potential wird aber hier nicht berücksichtigt.
Der Strombedarf im Jahr 2030 wird unter Berücksichtigung des Bedarfs aller Sektoren (Haushalte, Industrie, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen, Verkehr) geschätzt und dabei sowohl Einsparpotentiale (Suffizienzerwartungsfaktor 90%) als auch der Mehrbedarf z.B. durch E-Mobilität, Wärmepumpen und Elektrolyse berücksichtigt. Dabei werden 18% für die Wasserstoffherstellung für Industrie und KWK-Anlagen angesetzt. Letztere decken den Bedarf in den Zeiten ab, in denen nicht ausreichend Strom aus PV und Wind zur Verfügung steht (Stichwort „kalte Dunkelflaute“). Es entsteht damit ein durch lokalen Ausbau abzudeckender Bedarf von ca. 453 GWh pro Jahr, der sich auf die verschiedenen Erzeugungsarten wie folgt verteilt:
a) 188 MWp PV Dachfläche (2020 realisiert 14,7 MWp; Potential lt. Solarkataster Südnieders.: 296 MWp),
b) 167 MWp PV Freifäche und 31 MWp Agro-PV,
c) 34 MWp Windstrom (onshore)
Dabei bedeutet MWp installierte Leistung („peak“). Agrophotovoltaik sind PV-Anlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Es wird davon ausgegangen, dass für Photovoltaik äquivalent 950 Stunden Volllaststunden /Jahr und für Windkraft 2500 Volllaststunden /Jahr erreicht werden. Der Ausbau kann natürlich bei vorhandenem Potential auch anders über die verschiedenen Quellen verteilt werden, um den angenommenen Strombedarf zu decken.
Aus dem öffentlichen Stromnetz werden 2030 noch etwa 407 GWh benötigt, d.h. 239 GWh oder 37% weniger als 2018. Es wird bei der CO2-Bilanzierung davon ausgegangen, dass auch der Netzstrom 2030 zu 100% klimaneutral erzeugt wird – falls nicht, muss der restliche fossile Anteil in der Bilanz berücksichtigt werden. In die Strombilanz geht außerdem ein Beitrag von 31 GWh pro Jahr aus der Pyrolyse (siehe unten) von Biomaterial ein.
Insgesamt ist der Strombedarf 2030 mit 860 GWh um etwa ein Drittel höher als 2018; dies ist durch die Umstellung der Wärmebereitstellung aus erneuerbarer Energie (Wärmepumpen etc.), die Wasserstoffproduktion für KWK-Anlagen und Industriewärme sowie das Anwachsen der E-Mobilität bedingt. Ein Suffizienz-Faktor von 90% (10% Einsparung) ist dabei angenommen. Mit der energetischen Sanierung des restlichen Gebäudebestands und steigender Anzahl von Elektrofahrzeugen wird sich der Bedarf an elektrischer Energie nach 2030 weiter erhöhen.
Der finanzielle und personelle Aufwand für den Ausbau der Stromversorgung aus erneuerbarer Energie bestimmt sich auf Grundlage folgender Annahmen:
– Photovoltaik Dach: 840.000 € und 2 VzÄ/MWp
– Photovoltaik Freifläche: 600.000 € und 2 VzÄ/MWp
– Agrophotovoltaik: 750.000 € und 2 VzÄ/MWp
– Windstrom: 1.423.000 € und 4,7 VzÄ/MWp
– PV für Elektrolyse/KWK: 6.531.000 € und 3,9 VzÄ/MWp
– dto. Windstrom: 5.010.000 € und 6,6 VzÄ/MWp
(VzÄ = Vollzeitäquivalente, d.h. die Arbeitleistung eines/r Beschäftigten in einem Jahr).
Sehr sinnvoll wäre es, in den Wohngebäuden lokale Speichereinheiten für Solarstrom zu installieren, die in den Abend- und Nachstunden ein Gutteil des privaten Strombedarfs decken können. Dadurch könnte ein Teil der hohen Investitionen für Elektrolyse/KWK eingespart werden. Dies ist im gegenwärtigen Plan nicht berücksichtigt.
Für die Kommune wird ein Anteil von 5% an den Investitionskosten angenommen, der vor allem für PV (Dach und Freifläche) auf städtischen Liegenschaften (kommunale Gebäude und Wohngebäude der Städtischen Wohnungsbau) anfällt. Elektrolyseure und KWK-Anlagen können von Stadtwerken oder privaten Investoren betrieben werden. Zusätzliches Personal für die Stadt betrifft Planer*innen für dien städtischen Anteil an den Investitionen, für Energieleitpläne und für aufsuchende Energieberatung für Strom und Wärme (Annahme durchschnittlich 3 Arbeitstage pro Beratung mit Vor- und Nachbereitung für insgesamt ca. 20.000 Gebäude, d.h. 2.000 Gebäude pro Jahr).
Bei den laufenden Kosten handelt es sich einerseits um die Personalkosten für die Stadt (eigenes oder beauftragtes Personal), andererseits um die Kosten für die Unterhaltung (Wartung und Reparatur) der PV- und Windkraft-Anlagen sowie der Elektrolyseure und KWK-Anlagen zwischen 2% und 3% der Investition pro Jahr. Bei der Berechnung wird berücksichtigt, dass die Anlagen über 10 Jahre schrittweise aufgebaut werden.