Was bisher geschah: Antrag, Begehren und Entscheid
Der Beginn: Der Antrag 2021
Nach dem Vorbild einer Gruppe aus Münster, die gemeinsam mit 30 Gruppen und Initiativen einen Antrag erstellte und diesen dann im Stadtrat einbrachte, wo er eine Merheit erhielt und dadurch zur beschlossenen Sache wurde, haben wir im Februar 2021 einen Antrag für Klimaneutralität bis 2030 in den Stadtrat gebracht.
Zusammen mit viel Unterstützung von verschiedenen Umwelt-, Klima- und sozialen Gruppen aus Göttingen haben wir als GöttingenZero diesen Antrag für den Stadtrat erarbeitet. Er wurde am 12. Februar 2021 durch Dr. Francisco Welter-Schultes (Piraten) mit Unterstützung der Göttinger Linke/ALG-Ratsgruppe in die Stadtratssitzung eingebracht wurde. In der Ratssitzung wurde entschieden, den Antrag in den Ausschuss für Umwelt, Klima und Mobilität zu überweisen.
In diesem Antrag forderten wir von der Stadt Göttingen, dass sie ihren Maßnahmenplan „Klimaplan Göttingen 2030“ mit Hilfe des Klimabeirates so überarbeitet, dass Göttingen bis 2030 echte Klimaneutralität erreicht. Dies heißt, dass wir aus allen fossilen Energieträgern aussteigen und in allen Sektoren (Verkehr, Gebäude, Wirtschaft, etc.) klimaneutral werden. Alle Emissionen der Stadt und von städtischen Unternehmen sollen reduziert werden. Nur wenn eine Reduktion nicht komplett möglich ist, sollen Emissionen ausgeglichen werden.
Der Maßnahmenplan soll den Stellenbedarf hierfür aufzeigen, einen Überblick über die Finanzen geben und die zentralen Handlungsfelder benennen. Die eingesparten Emissionen durch den Maßnahmenplan sollen für die Bürger:innen nachvollziehbar sein.
Zudem forderten wir ein Monitoring, wobei ein Bericht erstellt werden soll. In diesem Bericht sollen jährlich die Treibhausgas-Emissionen von Göttingen festgehalten werden und alle zwei Jahre die Erfolge der Maßnahmen dokumentiert werden. Außerdem forderten wir von dem/der Oberbürgermeister:in jährlich eine schriftliche Stellungnahme zu der Umsetzung der Maßnahmen.
Falls die Verwaltung und der Stadtrat festellen, dass die Ziele nicht erreicht werden, sollen geeignete Maßnahmen zum Gegensteuern eingeleitet werden. Außerdem forderten wir, dass die Erreichung der Klimaneutralität bei allen Ratsentscheidungen berücksichtigt werden soll.
Unsere Forderungen des Antrags:
- echte Klimaneutralität bis 2030, d.h. immer weniger klimaschädliche Gase
- im Plan der Stadt Schritte, um das zu schaffen
- diese Schritte (=Maßnahmen) sollen wirklich gemacht werden
- alle sollen verstehen, wie die Emissionen jedes Jahr abnehmen
- regelmäßige Kontrolle von den Maßnahmen
Hier kann der sprachlich und formal
überarbeitete Antrag heruntergeladen werden.
Februar 2021
Als Reaktion auf unseren Antrag wurden von den Stadtratsfraktionen drei weitere eigene Anträge (hier noch einmal die Anträge: SPD, CDU & Die Grünen/FDP/Die Partei) verfasst und am 12.02.2021 eingebracht. Diese Anträge hat sich Ulrich Schwardmann einmal genauer angeschaut und eine Studie über die klimapolitischen Auswirkungen der Göttinger Ratsanträge zum Klimaplan 2030 verfasst. In komprimierter Form ist die Studie auch hier finden.
Zusätzlicher Druck von unten: Das Bürger:innenbegehren 2020/2021
Damit der Druck von unten bestehen bleibt, nachdem der Antrag in den Umweltausschuss überwiesen wurde, haben wir im Dezember 2020 ein Bürger:innenbegehren gestartet. Dieses forderte, ebenso wie der Antrag, einen Beschluss zur Klimaneutralität bis 2030.
Für einen Erfolg des Bürger:innenbegehrens hieß es Unterschriften sammeln und Werbung machen. Insgesamt forderten 9600 Göttinger:innen durch ihre Unterschrift Klimaneutralität bis 2030. Dadurch haben wir die benötigten Wahlberechtigtenanzahl erreicht und reichten zur Stadtratssitzung am 16.07.21 die Listen ein.
Durch das erfolgreiche Bürger:innenbegehren hätte es im Anschluss zu einem Bürger:innenentscheid kommen können. Bei einem Entscheid dürfen alle Wahlberechtigten in Göttingen darüber abstimmen, ob ihre Stadt bis 2030 klimaneutral werden soll. Diese Entscheidung hätte dann einen verbindlichen Auftrag an die Stadt dargestellt.
Forderung des Bürgerinnen:begehrens
Die Stadt Göttingen soll die im ”Klimaplan Göttingen 2030“ als Ziel gesetzte Klimaneutralität nicht wie geplant für das Jahr 2050, sondern bereits für 2030 anstreben und die dafür bereits entwickelten Maßnahmen anpassen und beschleunigen.
Begründung
Klimaplan Göttingen 2030
In dem 2014 vorgestellten ”Masterplan 100% Klimaschutz“ gibt die Stadt Göttingen das Zieljahr 2050 für weitgehende Klimaneutralität aus. Aktuell schreibt sie diesen Maßnahmenplan weiter. Der sogenannte ”Klimaplan Göttingen 2030“ beinhaltet zwar konkrete Maßnahmen für die nächsten 10 Jahre, wir müssen jedoch davon ausgehen, dass das Zieljahr für Klimaneutralität unverändert 2050 sein soll. Wir halten 2050 allerdings für viel zu spät, um die Erderwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst auf 1,5°C zu begrenzen, wie es im Pariser Klimaschutzabkommen 2015 vereinbart wurde.
Unsere Forderung
Um unserer Verantwortung, das Klima den folgenden Generationen in einem intakten Zustand zu überlassen, nachzukommen, fordern wir, dass der ”Klimaplan Göttingen 2030“ so angepasst und umgeschrieben wird, dass mit seiner Umsetzung die Stadt Göttingen echte Klimaneutralität bis 2030 erreichen kann. Dieser Plan muss eindeutig die jährlichen Kosten und den Personalbedarf für die Planung und Umsetzung der dafür notwendigen Maßnahmen in den Sektoren Private Haushalte, Gewerbe-Handel-Dienstleistungen, Industrie, Verkehr, Landwirtschaft und CO2-Entzug nachvollziehbar abschätzen. Für jedes Jahr ab 2018 sind der Endenergiebedarf und die Treibhausgas-Emissionen in diesen Sektoren zu dokumentieren bzw. zu projizieren, so dass 2030 unter Einbezug der regionalen Treibhausgas-Senken in einer Quellen-Senken-Bilanz die Treibhausgas-Emissionen in Göttingen auf netto Null reduziert werden. Damit der Erfolg der Maßnahmen regelmäßig kontrolliert wird, soll der angepasste Klimaplan zudem ein wirksames Monitoring-Konzept beinhalten. Die bereits 2020 unter Bürger*innenbeteiligung erarbeiteten Vorschläge für Klimaschutzprojekte im ”Klimaplan Göttingen 2030“ sollen ausdrücklich mit einbezogen werden.
Vorteile
Aus unserer Sicht steigert ein klimaneutrales Göttingen mit erneuerbaren Energien, zukunftsfähiger Bausubstanz, fossilfreier Mobilität und ausgedehnten Grünschneisen die Lebensqualität und die Gesundheit aller Göttinger*innen. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 kann nur durch mutiges Handeln von Politik, Wirtschaft und uns allen gemeinsam erreicht werden. Wenn wir jetzt handeln, können wir nur gewinnen!
März 2022
Dank 7.686 gültiger Unterschriften wurde im Rat über unser im Juli 2021 eingereichtes Bürger:innen-Begehren entschieden. Mit einem Verweis auf die „Absichtserklärung zur Klimaneutralität bis 2030“ (Dezember 2021) wurde der Entscheid jedoch letztendlich abgewendet.
Verpasste Möglichkeit: Der Entscheid 2021
Begleitet von Aussagen wie „Wir – CDU und Grüne – haben einen richtig ambitionierten Klimaplan verabschiedet.“ (Grüne), „Für den existentiell wichtigen Klimaschutz braucht es einen langfristigen Plan.“ (SPD) oder „Die Klimakrise steht vor der Haustür und will bewältigt werden.“ (CDU) wurde in der gestrigen Ratssitzung unser Bürger:innenentscheid abgewendet.
Wie kann es sein, dass dem Klimaschutz scheinbar eine so große Bedeutung zugemessen wird, wenn doch ein Klimaentscheid nicht durchgeführt werden soll?
Die Ratssitzung am 18.03.2022 war vorrangig auf die Diskussion und Verabschiedung des Haushalts für das Jahr 2022 ausgelegt. Unsere Stellungnahme zu dem Haushalt findet ihr hier. Nach vier langen, wenig ergiebigen Stunden wurde unter TOP 13 über unser Begehren entschieden. Schon im Januar konnte die Prüfung der Unterschriften als Ergebnis festhalten, dass von den abgegebenen 9.580 Unterschriften 7.686 gültig sind – das Quorum für das Begehren (benötigt waren 7.116 Unterschriften) war somit weit überschritten und nach § 32 NKomVG war ein Entscheid herbeizuführen!
Nun soll der Rat jedoch mit seiner „Absichtserklärung zur Klimaneutralität bis 2030“ vom 17.12.2021:
[„Die Stadt Göttingen strebt das Ziel einer Klimaneutralität bis 2030 an und initiiert alle dafür nötigen Schritte im städtischen Wirkungskreis. Hierzu werden die“ ambitionierten Strategien und Maßnahmen aus dem Klimaplan Göttingen 2030 kontinuierlich umgesetzt, erweitert und an sich verändernde Rahmenbedingungen angepasst. Den notwendigen gesellschaftlichen Wandel unterstützt die Stadt Göttingen in ihren Einflussbereichen als Moderatorin, Vermittlerin, Vorbild und Motivatorin. Auf überregionaler Ebene setzt sich die Stadt für deutliche Verbesserungen der Rahmenbedingungen für erfolgreiche und notwendige Maßnahmen zum Klimaschutz ein.“]
„im Wesentlichen im Sinne des Bürger:innen-Begehrens“ entschieden haben und kann nach § 32 VII 5 NKomVG den Entscheid abwenden.
Allerdings geht die Absichtserklärung vom Dezember nicht auf die in der Begründung unseres Begehrens aufgeführten Maßnahmen ein, mit denen das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden soll. Heißt: insbesondere so wichtige Punkte wie ein konkreter Zeitplan der Maßnahmen und eine zuverlässige Überwachung ihrer Wirksamkeit im Sinne einer Reduktion der THG-Emissionen werden durch die Absichtserklärung nicht abgedeckt. Auch der Haushalt, über den jetzt entschieden wurde, zeigt nicht, dass das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 mehr als ein reines Lippenbekenntnis ist. Ernsthafte Bestrebungen lassen sich in dem Haushalt nicht wiederfinden.
Wir hatten die Möglichkeit, in der Ratssitzung eine Stellungnahme abzugeben, den Text findet ihr hier. Nach der Stellungnahme wurde von den Grünen ein Änderungsantrag eingebracht, mit dem die Absichtserklärung vom Dezember um ein Monitoring ergänzt werden soll. Diesem Änderungsantrag wurde fast einstimmig zugestimmt, wodurch unser Entscheid abgewendet wurde. Das Kapitel „Bürger:innen-Begehren und Bürger:innen-Entscheid“ müssen wir nun also erst einmal schließen.
Eigentlich könnten wir als Bürger:innen von Göttingen, die an dem Klimaentscheid beteiligt waren, unendlich stolz darauf sein, was wir geschafft haben. Noch vor einem Jahr wurde an dem Ziel für Klimaneutralität bis 2050 festgehalten – das wurde auf 2030 verändert. Und im letzten Moment ist auch noch Monitorring als Ziel übernommen worden.
Dennoch gilt es festzuhalten:
- Der Haushalt und die Verhandlungen im Rat zeigen unserer Meinung nach nicht, dass wirklich verstanden wurde, was im Dezember in der Absichtserklärung beschlossen wurde: Klimaneutralität bis 2030 bedeutet tatsächlich, dass ab 2030 kein vermeidbares CO2 mehr emittiert und nicht vermeidbare Restemissionen kompensiert werden sollen – mutiges und konsequentes Handeln nach dieser Einsicht fehlt leider größtenteils im Göttinger Stadtrat.
- Der oben kritisierten Punkt kann durch einen Verweis auf den Haushalt noch bestärkt werden: im kommenden Haushaltsjahr wird kein Geld für Investitionsmaßnahmen ausgegeben, die einen Beitrag zur CO2-Emissionsreduktion leisten würden. Stattdessen beinhaltet das Budget, das für „Klimaschutz“ ausgegeben werden soll, wenig Maßnahmen, die dies tatsächlich tun.
- Mit einem Bürger:innen-Entscheid hätte einen breiteren Rückhalt für die notwendigen politischen Entscheidungen und Maßnahmen für das gesetzte Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden, geben können. Diese Möglichkeit wurde vom Rat abgelehnt.
Aufhören wird unsere Arbeit damit noch lange nicht – vielleicht fangen wir ja gerade erst an… wenn ihr also Interesse habt, bei uns mitzuarbeiten, seid ihr jederzeit herzlich willkommen!